Wärmewende – der weite Weg zur kommunalen Wärmeplanung
Der kommunalen Wärmeplanung kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es um die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in den Quartieren geht. Für viele Wohnungsunternehmen bedeutet das, mit großflächigen Umstellungen der Bestände auf klimafreundliche Systeme warten zu müssen. Holger Hartwig beschreibt in seinem Artikel in der August-Ausgabe der „DW – Die Wohnungswirtschaft“ die Momentaufnahme einer Phase der Neuorientierung auf ein Thema, dass folgerichtig in der stringenten Orientierung auf Nullemissionsplanungen in Gebäuden und Quartieren münden wird.
Die aktuelle Lage lässt sich so zusammenfassen: In 12 der 16 Bundesländer fehlt für die Wärmeplanung bisher jegliche gesetzliche Vorgabe. Zumeist ist in den Kommunen mit einer strategischen Planung der Energieversorgung, die den Pariser Klimazielen gerecht wird, noch nicht einmal begonnen worden. Nicht zuletzt deshalb plant der Bund parallel zum neuen Gebäudeenergiegesetz mit dem Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz) eine entsprechende Verpflichtung im Baugesetzbuch zu verankern. Die Herausforderung für diese Planungen ist enorm groß. „Praktisch alle Städte und Gemeinden stehen vor der Aufgabe, einen ambitionierten Umbau der städtischen und privaten Infrastrukturen zu organisieren und dafür raumbezogene Konzepte zu erstellen“, sagt Eckhard Horwedel, Vorstand des Bundesverbands „Die Stadtentwickler“ und Geschäftsführer der Deutsche Stadt-und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH. Es komme auf die Kommunen „eine neue strategische Rolle zu“.
Wärmeplanung muss Teilkonzept der Stadtentwicklung werden
Die Zeit läuft nach Ansicht des Bundesverbands davon, wenn die ambitionierten deutschen und europäischen Klimaziele erreicht werden sollen. Monika Fontaine-Kretschmer, Mitglied im Vorstand des Bundesverbands „Die Stadtentwickler“ und Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt, betont: „Verschiedene Akteure mit je eigenen Interessen müssen dringend gemeinsam und abgestimmt handeln. Hier sind Politik, alle Stakeholder sowie die Betroffenen einzubinden, wie es in der Stadterneuerung seit Jahrzehnten eingeübt und erfolgreich umgesetzt wurde.“ Aktuell herrsche bei allen Akteuren große Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen. Für eine gelingende Transformation müsse die kommunale Wärmeplanung als Teil der Integrierten Stadtentwicklungskonzepte definiert und ihre Finanzierung sichergestellt werden. „Für all das brauchen wir dringend eine Aufstockung der Städtebauförderung und der KfW-Programme“, so Fontaine-Kretschmer.
Das Wärmeplanungsgesetz
Das Wärmeplanungsgesetz, das im Entwurf vorliegt, soll durch Änderungen im Baugesetzbuch verpflichtende Vorgaben zur Sicherstellung der Durchführung von Wärmeplanungen an die Länder machen. Eine Wärmeplanung muss für Gebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern bis zum 31. Dezember 2027 erfolgen, für Gebiete zwischen 10.000 und 100.000 Einwohnern bis 31. Dezember 2028. Für Gebiete mit weniger als 10.000 Einwohnern sieht der Gesetzentwurf keine Verpflichtung vor.
Kern der Wärmeplanung ist die Ausweisung von Wärmenetzgebieten und Gebieten für dezentrale Wärmeversorgung auf Basis einer Bestands- und Potenzialanalyse mit der Maßgabe einer möglichst kosteneffizienten klimaneutralen Versorgung. Dabei gilt das Prinzip der Technologieoffenheit, das heißt, bei der Bewertung der langfristigen Optionen können auch sonstige Wärmeversorgungsarten (wie Wasserstoff) als für ein Teilgebiet geeignet eingestuft werden. Für die Erstellung von Wärmeplänen werden nur bereits vorhandene Daten genutzt, die bei Netzbetreibern sowie aus Registern und Datenbanken erhoben werden. Eine Auskunftspflicht für Bürgerinnen und Bürger besteht grundsätzlich nicht. Die Datenschutzbestimmungen werden eingehalten, insbesondere werden Verbrauchsdaten anonymisiert erhoben. Eine Weiterverwendung der Daten für andere Zwecke soll nicht möglich sein. Bereits vorhandene Wärmepläne nach Landesrecht sollen anerkannt werden. Ein weiteres Ziel ist die Dekarbonisierung der Wärmenetze. Netze sollen ab dem 1. Januar 2030 zu mindestens 50 % und spätestens bis zum 31. Dezember 2044 vollständig aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Wärmenetzbetreiber sollen für ihre Netze bis zum 31.Dezember 2026 einen Transformations- und Wärmenetzausbauplan vorlegen.
Wohnungsunternehmen gehen in die Offensive
Für Wohnungsunternehmen ist der Zeitdruck schon jetzt gegeben, da bis 2033 der größte Teil der Wohnungen auf klimafreundliche Wärme- und Energieversorgung umgestellt sein soll. Vielerorts sind es deshalb bereits die Bestandshalter, die mit Einzelplanungen für ihre großen Wohnquartiere aufs Tempo drücken. Anderenorts schieben die Unternehmen den kommunalen Dialog der Wärmeplanung an, beispielsweise in Wilhelmshaven. Für Lutz Weber, Vorstandsvorsitzender der Bauverein Rüstringen eG, und seine Vorstandskollegen bei der Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG, Dieter Wohler und Peter Krupinski, ist „Abwarten und Tee trinken“ mit Blick auf die klimaneutrale Energieversorgung ihrer zusammen 6.500 Wohnungen keine Lösung. „Wir haben die Initiative ergriffen und wollen alle erforderlichen Akteure für die Energiewende in der Stadt an den Tisch zu holen“, sieht Weber die Notwendigkeit. Das Ergebnis der bisherigen Bemühungen zeigt aber, wie schwer es wird. „Bis als Startschuss ein erster Termin mit allen Beteiligten gefunden ist, vergehen mehrere Monate“, so Weber. Aus seiner Sicht sei es illusorisch zu glauben, dass die Kommune die Wärmeplanung bis Ende 2026, wie es in Niedersachsen vorgeschrieben ist, fertiggestellt hat. „Dabei ist genau diese Planung, die nach der fachlichen Aufstellung ja noch politisch diskutiert wird und Zustimmung finden muss, die Grundlage für alle unsere weiteren Überlegungen. Wir müssen wissen, was die Stadt plant, wo gemeinschaftliche Netze und Versorgungen sinnvoll sind. Aus diesen Überlegungen leiten sich alle weiteren Schritte ab.“
Abriss oder Insolvenz drohen
Weber macht anhand von Zahlen deutlich, wie groß der Berg an Aufgaben ist, der auf die Wohnungs-wirtschaft und die eigene Genossenschaft zukommt. „Bis 2033 müssen wir nach derzeitigem Stand 263 unserer 347 Immobilien anpacken. Wir müssten also pro Jahr 29 Immobilien energetisch sanieren.“ Es sei dem Bauverein gelungen, ein einziges Mal acht Häuser in einem Jahr energetisch zu erneuern. „Für das, was nun gefordert ist, haben wir nicht ansatzweise die personellen Kapazitäten. Das ist völlig utopisch.“ Man müsse zudem nüchtern betrachten, dass landauf, landab Fachleute – sowohl für die strategische Wärmeplanung als dann auch für die Umsetzung – nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Damit man wisse, was gemacht werden kann, sei die kommunale Wärmeplanung unabdingbar. „Wir müssen wissen, ob und auf welche Energieversorgung wir wo setzen können“, so Weber. Beispielsweise im denkmalgeschützten Quartier Siebethsburg „könnten für uns Fernwärme- oder Nahwärmeversorgungskonzepte die beste Lösung sein, da einige andere aktuelle Lösungen, die derzeit auf dem Markt sind, aus baulichen und anderen Gründen nicht umsetzbar sind.“
Weber macht deutlich, dass sein Bauverein mit seinem Bestand kein Sonderfall ist. „Für etwa 45 % Prozent aller Immobilien sind Maßnahmen erforderlich.“ Experten hätten ausgerechnet, dass bundesweit 180 Mrd. € investiert werden müssen, „damit die Häuser, die heute die dann nicht mehr zulässigen Energieklassen H, G und F haben, nicht abgerissen werden müssen“. Zudem habe er berechnet, was die Anforderungen wirtschaftlich für die Genossenschaft bedeuten. „Wenn wir pro Jahr 29 Häuser sanieren würden, müssten wir unser Investitionsvolumen verdreifachen“, so Weber. Das sei für seinen Bauverein „nicht machbar und würde uns in wenigen Jahren in die Insolvenz führen“. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist für den Vorstandsvorsitzenden keine Lösung. „Wir werden in diesem Jahr alle relevanten Daten für die Umsetzung der Klimaschutzziele des gesamten Bestandes erfassen, analysieren und ermitteln, wo die größten Effekte erzielt werden können. Mitte 2024 entwickeln wir daraus dann den unternehmensindividuellen Klimapfad.“ Diesen Pfad gelte es anschließend so zügig wie möglich mit der Wärmeplanung Wilhelmshaven abzustimmen und „wir hoffen darauf, dass die Vorgaben der Umsetzung realistischer werden und die Förderszenarien so ausgestaltet sind, dass wir – wie seit mehr als 120 Jahren – unseren Mitgliedern weiterhin bezahlbaren Wohnraum bieten können“.
Partnerschaft aus Kommune, Vermieter und Energieversorger
Wesentliche Partner bei der Umgestaltung der Energieversorgung werden für die Wohnungsunternehmen die örtlichen Energieversorger sein. Auch sie stehen vor großen Herausforderungen, da die bisherigen weit verbreiteten Gasnetze in der bisherigen Form nicht mehr zum Einsatz kommen werden. Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) sieht in der kommunalen Wärmeplanung die Grundlage für die Transformation der Energieversorgung.
„Energiequellen, Infrastrukturen und Verbrauch unterscheiden sich von Ort zu Ort. Das bedeutet, dass sich die Rahmen- und Ausgangsbedingungen für die Wärmewende von Kommune zu Kommune unterscheiden – genau genommen sogar von Stadtteil zu Stadtteil, von Straße zu Straße. Die Wärmewende in Köln wird anders laufen als die Wärmewende in Kiel oder Kulmbach“, so der VKU. Kommunen und beispielsweise ihre Stadtwerke könnten maßgeschneiderte Wärmeversorgungsstrategien entwickeln, die zu den lokalen Gegebenheiten passen.
Aus VKU-Sicht sei es wichtig, dass „Bund und Länder die Kosten für die Planerstellung übernehmen und es Freiräume und Technologieoffenheit gibt, damit alle lokalen, klimaneutralen Energiequellen genutzt werden können“. Bei den kommunalen Stadtwerken beziehungsweise regionalen Energieversorgern ist man sich der Aufgabenstellung bewusst. Immer mehr Partnerschaften mit Kommunen werden auf den Weg gebracht.
Vier Phasen zum verbindlichen Ziel
Die kommunale Wärmeplanung ist ein strategischer Prozess auf lokaler Ebene, der der Koordinierung aller Maßnahmen zur Entwicklung und zum Aufbau einer klimaneutralen Wärmeversorgung dienen soll. Ziel ist es, mit einer langfristigen Planung technologieoffen die Möglichkeiten zur Wärmewende zu ermitteln, zu strukturieren und umsetzbar zu machen. Dabei sollen Hürden für den Wechsel zwischen Technologien aus dem Weg geräumt werden. An der Wärmeplanung sind in der Regel zu beteiligen: Kommunalverwaltung mit Stadtplanungs-, Tiefbau- und Umweltamt, Klimaschutzmanager, Energieberater, Stadtwerke beziehungsweise Netzbetreiber und betroffene Unternehmen und Bürger. Die Wärmeplanung wird so zu einem aktiven Instrument der Zukunftsplanung und gibt vor allem Immobilieneigentümern die Richtung vor, wie sie die Energiewende für ihr Eigentum realisieren können. Sie kann festlegen, dass in bestimmten Bereichen der Anschluss an ein Fernwärmenetz erfolgen muss, was andere Optionen dann ausschließt – und erfolgt in der Regel in vier Phasen:
Bestands- und Potenzialanalyse, Szenarienentwicklung und Strategie
Im ersten Schritt werden die lokalen Rahmenbedingungen erfasst, Daten zum Energieverbrauch ermittelt sowie die demografische und wirtschaftliche Entwicklung betrachtet. Dann wird der Wärmebedarf von Gebäuden in Karten räumlich dargestellt und vorhandene Netzkapazitäten für Gas und Strom beziehungsweise Wärme ermittelt.
In der zweiten Phase steht die Erfassung von Einsparpotenzialen beim Energieverbrauch im Vordergrund. Ermittelt wird auch, welche Wärmequellen und Energieformen wie Biomasse, Biogas, Solarthermie, Tiefengeothermie, Abwärme, Kraft-Wärme-Kopplung sich anbieten.
Spannend wird die Phase 3: Jede Kommune stellt Szenarien dar, wie sie eine klimaneutrale Wärmeversorgung realisieren will. Eine erste Grobplanung für einzelne Energiearten oder Technologien wird unter Berücksichtigung der Folgen auf vorhandene Strom- und Gasnetze (zum Beispiel Um-, Rück- oder Ausbau) vorgenommen.
Im letzten Schritt werden konkrete Maßnahmen festgelegt und priorisiert. Die Wärmeplanung ist dann per Beschluss fester Bestandteil für alle weiteren Maßnahmen und Planungen in einer Kommune.
Vermieter sollten nichts überstürzen
Für Wohnungsunternehmen wird in den nächsten Jahren interessant sein, welche Aspekte die Energieversorger bei der Umstellung der Netze mit Blick auf ihre Geschäftsmodelle in den Fokus nehmen. Ein Unternehmen, das jahrzehntelange Erfahrungen sowohl mit klassischen Gasversorgungs- als auch Fernwärmenetzen hat, ist die Stadtwerke Pinneberg GmbH im schleswig-holsteinischen Speckgürtel Hamburgs.
Geschäftsführer Thomas Behler rät Wohnungsunternehmen zuallererst, „jetzt nichts zu überstürzen“. „Die Wohnungsbestände professioneller Vermieter befinden sich tendenziell in verdichteten Räumen und dort machen netzgetriebene Lösungen auch künftig viel Sinn. Deshalb ist es unabdingbar, dass so zügig wie möglich alle an einen Tisch geholt werden.“ Er erwartet, dass die Kommunen die auszuarbeitenden Wärmeplanungen vorzugsweise in die Hände der örtlichen Versorger geben, da „wir alle Verbrauchsdaten und viele weitere Informationen bereits vorliegen haben“. Die örtlichen Versorger seien auch für die lokalen Wohnungsunternehmen ein zentraler Ansprechpartner. „Gebäudeseitig haben diese Unternehmen in den vergangenen Jahren sehr viel zur Senkung des Energieverbrauches unternommen. Gemessen an dem dafür notwendigen Aufwand wird mit Blick auf den Wärmebedarf und die Klimanachhaltigkeit kaum noch eine großartige Reduzierung bei diesen Gebäuden möglich sein“, ist er überzeugt. Für ihn bestehe die gemeinsame Zukunftsaufgabe darin, die Wärmeerzeugung und -verteilung neu aufzustellen. „Wir alle wissen, dass wir mit Blick auf erneuerbare Energiequellen neue Wege gehen müssen. Dafür ist auch künftig ein funktionierendes Miteinander der Marktteilnehmer und der Politik vor Ort notwendig“, so Behler.
Realistische Perspektiven fehlen
Aus seiner Sicht ist die Technologieoffenheit insoweit wichtig, als die nationalen Vorschriften beziehungsweise Maßnahmen mit denen von der EU vorab harmonisiert sein müssen. Es führe zur Verunsicherung und zögerlichem Verhalten, wenn Eigentümer beispielsweise nach einer Sanierung mit einer guten Gebäudeversorgung durch Photovoltaik und Wärmepumpe – „aufgrund der derzeit diskutierten EU-Vorgaben zu weiteren Maßnahmen genötigt werden können, die wirtschaftlich und ökologisch fragwürdig sind“. Dieses Risiko könne man zurzeit nicht ausschließen. Behler: „Es fehlt im Dschungel der unabgestimmten Zuständigkeiten und Ebenen zwischen Deutschland und der EU eine nachvollziehbare, widerspruchsfreie und verständliche Umsetzungslogik mit realistischer Perspektive für Zeit, Mittel und Kapazität.“ Der Ingenieur ist sich sicher: „Wie die Lösung vor Ort aussieht, muss sich aus den Gesprächen ergeben. Das kann Fernwärme unterschiedlichster Art – konventionell, Low-Ex oder kalte Nahwärme, aber auch Tiefengeothermie als Wärmequelle – oder die Versorgung mit Wasserstoff sein.“
Mit Blick auf die Wasserstoff-Nutzung sei aufgrund der Effizienzfrage jedoch absehbar, dass diese für kommende Jahrzehnte keine wirkliche Marktrelevanz erlangen dürfte, „zumal Wasserstoff für andere Bereiche als das Beheizen von Wohnungen dringender benötigt wird“.
Anschlusszwang wird unvermeidbar sein
Behler blickt auch auf die stark diskutierte Luft-Wärmepumpen-Lösung. Seine Bedenken: „Es ist ein Nachteil, dass sie bei hohen Leistungsbedarfen wie etwa im dicht bewohnten Siedlungsraum für Lautstärkeprobleme sorgt.“ Er empfehle, bei allen neuen Wegen, die im Zeitalter der „Nach-Gas-Heizung“ gegangen werden sollen, den Blick ins Ausland. „In Dänemark gibt es viel Erfahrung mit Fernwärmenetzen, auf Island mit Geothermie“, nennt er zwei Beispiele. Setzt die kommunale Wärmeplanung vor Ort aufeine Versorgung durch Netze – so, wie es Flensburg seit vielen Jahrzehnten praktiziert – wird es für den Stadtwerke-Chef spannend: „Dann kommt es zur Nagelprobe. Es muss eine verbindliche Regelung geben, wer sich an die Netze anschließen und die vorgegebenen Energiequellen nutzen muss. Ansonsten werden sich Netze nicht wirtschaftlich betreiben lassen“, so Behler. Es würden zu hohe Investitionen anfallen. Die Umrüstung von einem Gas- auf ein Wasserstoffnetz werde technisch, logistisch und betriebswirtschaftlich nicht so einfach möglich sein. Ein Anschlusszwang an Wärmenetze sei am Ende unvermeidbar.
Vor Ort die Kompetenzen einbringen
Behler wird auch mit Blick auf die Kompetenzen der Wärmeversorgung in den nächsten Jahrzehnten deutliche. „Energieverteilung ist nicht das Kerngeschäft eines Wohnungsunternehmens. Für mich sollten sich die Wohnungsunternehmen auf die Herausforderungen konzentrieren, die sich in den nächsten Jahren in ihren Kernmärkten stellen.“ Er nennt im Zuge der Wärmewende ein Beispiel, bei dem es auf Know-how und Kapital ankommen wird: die Suche nach Wärmequellen mittels Tiefengeothermie. „Das ist selbst für Stadtwerke mit einem großen betriebswirtschaftlichen Risiko verbunden, da nicht jede Probebohrung, die schnell mal einige Millionen Euro kostet, erfolgreich ist.“ Zudem werde es in den kommenden Jahren auch ein Kapazitätsproblem beim Bau neuer Netze geben.
„Wir bauen derzeit eine eigene Tiefbaugesellschaft auf, damit wir weiterhin flexibel handeln können.“ Wohnungsunternehmen wüssten aus eigener Erfahrung, wie sich der Fachkräftemangel bereits heute auswirke. „Die Partnerschaften zwischen den Energielieferanten und den Vermietern haben seit Jahrzehnten funktioniert und es ist nun unsere gemeinsame Aufgabe, dass das auch bei der Energiewende so fortgesetzt wird und dass dabei alle ihre jeweiligen Kompetenzen einbringen“, so sein Fazit.
Der Artikel von Holger Hartwig erschien in der „DW“-Ausgabe 08/23