Der Klima-Praxispfad zur CO2-Reduktion ist ein Emissions-Minderungspfad bis 2045
Sinnvoll abgestimmten Einzelmaßnahmen sind die Zukunft der Bestandssanierung
Berlin, den 13.08.2025
Eine gezielte Miss-Interpretation der EU-EPBD-Richtlinie hat bewirkt, dass wir uns auf den Begriff „efficiency first“ einseitig fokussiert hatten. Mit dem Energieeffizienz-Paradigma haben wir uns als Gesellschaft auch bei der sozialen Frage in die falsche Richtung bewegt. Über Jahrzehnte galt das Diktum, die Investitionskosten für Energieeffizienzmaßnahmen würden durch die eingesparte Energie ausgeglichen werden. Eine warmmietenneutrale Sanierung war das Ziel. Tatsächlich ist dies im Wortlaut der EPBD-Richtlinie so nicht gegeben. Vielmehr ist hier die Option der Emissions-Minderung (CO2) thematisch gleichberechtigt niedergelegt.
Zum Eröffnungs-Podium des WohnZukunfts Tages 2025 des GdW betonte Stefan Moser, Leiter der Einheit „Energy Efficiency of Buildings and Products“ in der Generaldirektion Energie (DG ENER) der Europäischen Komission und zuständig für die Energieeffizienz von Gebäuden und Produkten: Die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) ermöglicht mehr Flexibilität, als oft angenommen wird. Er plädierte dafür, Energieeffizienz und die Energieversorgung gleichauf zu bewerten – etwa durch den Einsatz von Nullemissions-Strategien – und nicht starr eine Dämm-first-Strategie zu verfolgen.
Obwohl wir in Deutschland immer weiter dämmen und bei Neubauten die Standards verschärfen, sparen wir insgesamt keine Energie ein. Gleichzeitig verteuern wir die Bau- und Sanierungskosten immer weiter durch Konzentration der Förderung auf höchste Effizienzstandards, treiben entsprechend der Mietpreise hoch und verbauen aus Kostengründen Stoffe, die ökologisch noch keinen Beitrag zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise im Wohnsektor leisten.

Die Gesetzesgeber beseelte die Idee, vorrangig durch Wärmedämmung und durch Rückgewinnung von Wärme aus Abluft den Energieverbrauch so weit wie technisch möglich zu reduzieren. Erst im zweiten Schritt sollten wir die Gebäude in dieser Logik mit grüner Energie versorgen. Dieser historische Ansatz war lange richtig und wird bis heute mehr oder minder kritiklos verfolgt. Aus dem Blickwinkel der Anwender kann man nur mit dem Kopf schütteln, wie realitätsfern sich Beamte dies vorstellten:

Sich von etablierten Ideen zu verabschieden und als Gesellschaft umzusteuern, fällt nicht leicht. Vor allem, wenn Energieeinsparung an sich richtig ist und hinter dem Effizienzpfad für den Gebäudesektor eine Denkschule steht, die in den vergangenen Jahrzehnten mit ihrer Wirkmacht in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik dominiert hat. Es bedurfte einer Bundestagswahl, um einen neuen, ressourcenschonenderen Weg zu gehen, der intelligent und flexibel ist. Wie Mehltau hatte sich eine regressive Falsch-Orientierung über unser Land gelegt. Die Verantwortlichen selbst fühlten sich stattdessen deutlich progressiv („Wir wissen es besser“).
Mit dem Wandel zur Emissionsreduktionspolitik können bisherige Vorschriften zum Wärmeschutz in Gebäuden entfallen. An ihre Stelle tritt eine klare und einfach zu verstehende Steuerung zur Einhaltung eines verbindlichen Emissionsreduktionspfades, der gesetzlich von der Regierung festgelegt wird. Er beschreibt in Form vorgegebener jährlicher Kontingente, wie die Emissionen in den einzelnen Sektoren bis 2045 abzunehmen haben, damit das Ziel „NetZero“ erreicht wird. So schafft er Verbindlichkeit und Planungssicherheit über Regierungswechsel hinweg.
Dazu Univ. Prof. Dr. M. Norbert Fisch (MNF) Steinbeis Innovationszentrum (SIZ) Stuttgart: Win-win-win mit dem Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor – für Vermieter finanzierbar, für Mieter bezahlbar, für den Klimaschutz erfolgreich. Bleiben wir bei einem zweigleisigen System aus Gebäude-Effizienzstandards und Erneuerbaren Energien, sprich CO2-neutrale Energieversorgung, anstatt auf einen „Praxispfad CO2-Reduktion“ einzubiegen, erreichen wir die Klimaziele nicht.

Dazu die Stellungnahme von Dr. Thomas Hain von der Nassauischen Heimstätte beim Eröffnungspodium des WohnZukunfts Tages 2025: „Mit dem Standard EF 55 wären 6,6 Milliarden € notwendig, um unseren Bestand konform zu sanieren. Mit EF 85 hingegen 860 Millionen €“. Hain dazu weiter: „Die Klimaneutralität wird im Heizungskeller entscheiden, nicht an der Fassade.“
Wenn das Ziel der Klimaneutralität eine Förderung in der Breite notwendig macht, sollte spätestens jetzt bei leeren Haushaltskassen beim Bund und in den Ländern der wirtschaftlichste Weg mit den kleinsten Förderkosten und der höchsten Treibhausgasminderung gewählt werden. Und das ist der Praxispfad!
Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass nicht jeder Pfad zur Klimaneutralität die Wohnkosten erhöhen wird. Erste Groß-Installationen von Luft-Wärmepumpen in Quartieren führten dazu, dass warme Betriebskosten um 1/3 gesenkt wurden. Dazu der Initiator Ingo Wöste von der Wohnungsbaugesellschaft Werdohl: „Unsere letzte Heizkosten-Abrechnung nach dem Ersatz alter Gaserzeugungsanlagen durch Luft-Wärmepumpen ergab eine entsprechende Reduzierung der Vorauszahlungen. Allein diese Tatsache erschien einigen Mietern so krass, dass sie baten, die „alten“, höheren Summen der Vorauszahlung beibehalten zu dürfen. Sie befürchteten wohl einen nur kurzzeitigen Effekt, der umso schlimmer in den Folgejahren zurückschlagen würde.“

In jedem Fall ist die Einsparung einer kWh Energie teurer, als die Energie zu verbrauchen. Das macht eine Klimapolitik auf Effizienzbasis ökonomisch unattraktiv. Klimaschutz muss aber ökonomisch funktionieren, da er sonst schlicht nicht umgesetzt werden kann.
Axel Gedaschko sagte dazu anlässlich der Tagung „Wohnungswirtschaft trifft Klima & Energie“ am 13.05.2025: „Das ist völliger Kappes, was wir hier machen in Deutschland! Wir brauchen einen Praxispfad CO2-Vermeidung! Das bedeutet: CO2 in den Mittelpunkt stellen! 104 Milliarden € wurden ziellos investiert. Wer die Größenordnung „500 Milliarden“ für jetzt 12 Jahre diskutiert und hier kein Problem hat, wenn auf einmal 104 Milliarden € an staatlicher Förderung erfolgen müssten, damit wir die Klimaschutzziele erreichen: Das macht einem so klar, dass wir so megamäßig auf dem Holzweg sind, wie es nur irgend geht. Wer waren die Zuwendungsempfänger? Hauptsächlich finanziell besser gestellte Hausbesitzer, nicht die Gehaltsgruppen der Mieter, die eine Entlastung wirklich benötigen. Dort ist die Situation dramatisch schlechter. Das Ergebnis der im Ansatz falschen Förderung in eine finanziell bevorzugte Klientel ist der Hammer: Das Resultat, was erzielt wurde, ist um 38% schlechter als es nach der anfänglichen theoretischen Berechnung war. 38 % Zielverfehlung und Geld sozial ungerecht rausgehauen ohne Ende.“

Aus Klimaschutzgesichtspunkten sind die Förderung von Effizienzhäusern 40 und Passivhaus-Standards blanke Verschleuderung von Steuergeldern.
Transformationsweg
Die Transformation zur klimaneutralen Wärmeversorgung des Gebäudebestands muss beschleunigt werden. Generell sollten für die Wärmeversorgung von Gebäuden keine fossilen Energieträger verbrannt werden. Vielmehr sollen fossile Energieträger schnell durch strombasierte Wärmeerzeuger, wie z. B kluge Nullemissionsplanung ersetzt und Wärmenetze defossilisiert werden. Der Aufbau der nötigen Infrastruktur für Verteilung und Speicherung von erneuerbarem Strom ist essentiell. Zudem sollen Quartierslösungen und Abwärmepotentiale aus Abwasser, Rechenzentren, Industrie und Elektrolyseprozessen stärker genutzt werden, um durch Power-to-Heat-Speicherung eine stabile Wärmeversorgung sicherzustellen. Grüner Wasserstoff ist hingegen im ganzheitlichen Kontext der Energiewende zielführender in den Sektoren Industrie und Verkehr als für die Gebäudeheizung einzusetzen und zudem wirtschaftlich noch sehr zweifelhaft aufgestellt.
Schlüsselfaktoren
Eine defossilisierte Wärmeversorgung lässt sich hauptsächlich durch zwei übertragbare Anlagenkonzepte realisieren: den konsequenten Ausbau von Wärmenetzen und den Einsatz zellular wachsender Nullemissions-Energien in der Klimapfad-Gestaltung. Nullemissions-Energie und in der Folge elektrische Wärmepumpen (mit stark unterschiedlichen COP) ermöglichen zudem eine stärkere Nutzung dezentraler Photovoltaik, steigern den solaren Deckungsanteil und fördern erneuerbare Energien auf Gebäudeebene. Spielentscheidend für den COP ist aber die Quelle, aus der die Wärmepumpe gespeist wird.

Unausgeschöpfte Potenziale für die Nullemissions-Planung ganzer Portfolien
Tiefengeothermie: Es bedurfte eines „Beschleunigungs-Gesetzes“ (hier: für Geothermie), damit der deutsche Amtsschimmel das Traben lernt. Die größte Ressource zum schnellstmöglichen und günstigsten Ersatz der fossilen Träger wird damit nun konsequent „erweckt“. Warum bedarf es dieses Weckrufs? Weil niemand mit der Messingglocke durch die Lande zieht und für unsere heimische, stets verfügbare Ressource „Erdwärme“ wirbt. Es ist ja auch keine stoffliche Grundressource wie Öl oder Gas, mit dessen Import sich Unsummen verdienen ließe. Da kommt es schon vor, dass ein norwegischer Energiekonzern kurz vor der Tagesschau einen Werbespot «Søker etter bedre» finanziert und uns suggeriert, dass auch in Zukunft der Energieimport für uns das richtige Standbein zur Energieversorgung unseres Landes sei. Gern wird auch der Bevölkerung die Mär vermittelt, dass „grüner Wasserstoff“ die zukunftsfeste Energie sei, dass wir statt in Tiefbohr-Verfahren lieber unser Geld auch in LNG-Infrastruktur stecken und Terminals in einer Intensität bauen und betreiben, die jeglichen Realitätsbezug vermissen lässt.
300 TWh Jahreskapazität hat die Tiefengeothermie in Deutschland nach Berechnungen der Helmholtz-Gesellschaft und des KIT. Bruchteile davon (immerhin!) will die Bundesregierung nun konsequent fördern, während ein kanadischer Tiefbohr-Spezialist privat in Innovationen investiert, die – anstelle an Importstrategien festzuhalten – eigentlich von uns selbst kommen sollten: Eavor Loop erschließt in Geretsried in Bayern unsere Erdwärme ohne Themalwasser-Bedarf, überall umsetzbar, 24/7 zuverlässig verfügbar und unabhängig von Sonne und Wind. Nächste Generation eben. Wir selbst tun uns noch mit der aktuellen Generation schwer.
Ein Lichtblick ist hier in den Bemühungen erster Wohnungsunternehmen zu sehen, diese Ressource für die „eigene“ Dekarbonisierung zu nutzen und den eigenen Claim auf dem eigenen Grundstück dafür zu sichern. Doch auch kooperative Vorhaben zusammen mit den Energieversorgern sind erfolgversprechende Ansätze.
Der Erfolgsweg: Vorrangige Dekarbonisierung für das ganze Portfolio
Im Wissenstransfer stellen führende Beratungsunternehmen der Wohnungswirtschaft z.B. im Format „Wissen kompakt“ der DSC Consulting aus Berlin umfassend das Grundlagen-Wissen in Online-Seminaren und individuellen Beratungspaketen zur Verfügung. Auch das EBZ in Bochum organisiert Fachtagungen dazu wie z.B. am 30.09.2025 „Energie von unten“ mit konkreten Bezügen zur Gestaltung des Klima-Praxispfades.
Die intellektuell-verkopften, unbezahlbaren Sehnsuchts-Ziele der früheren Bundesregierung verblassen langsam zugunsten pragmatischer, vom gesunden Menschen- und Sachverstand dominierten Ansätzen: Klima-Praxispfad zwecks Portfoliooptimierung ohne EF 45, 55 oder ähnlichem Realitätsverlust. Hin zu Nullemissions-Konzepten, die die warmen Betriebskosten senken und dauerhaft stabil halten, da CO2-Abgaben nicht mehr drohen.
Und ja: die Förderung der Geothermie unterstützt den volkswirtschaftlichen Aspekt unserer heimischen Energie. Mit jeder Bohrung schmilzt unsere Abhängigkeit von Importen. Der Run auf die „Claims“ hat tatsächlich bereits begonnen. Die Wohnungswirtschaft kann sich solche Claims, die nach Bergrecht erforderlich sind, aktuell noch sichern, zumal die Fündigkeits-Ergebnisse an neuen Bohr-Vorhaben in Frankfurt, Potsdam, Berlin und Kassel um bis zu 100% höhere Wirtschaftlichkeit erwarten lassen als dies nach DIN vorhersehbar war. Dies sind ermutigende und sehr konkrete Rahmenbedingungen, um die größte Nullemissions-Quelle für das heimische Portfolio zu sichern.
Wir haben für diesen Artikel Quellen der „Initiative Praxispfad zur CO2-Reduktion im Gebäudesektor“ mit Zitaten von Prof. Norbert Fisch, Prof. Elisabeth Endres sowie Prof. Werner Sobek verwendet.